Montag, 15. Februar 2010

Zwei Gutachten machen noch keine Physalis

 
Freya Diepenbrock                  
Mehr als 3.000 Verbraucher wollten von Pfanner wissen, warum das Teegetränk „Der Gelbe Zitrone-Physalis“ die Physalis zwar im Namen und auf der Verpackung trägt, die Frucht im Getränk selbst aber gar nicht vorkommt. Und warum der Hersteller seine süße Mischung aus Kräutertee und 15 Prozent Gelbem Tee als Wellness-Tee verkauft und Verbraucher mit schwammigen Wellness-Versprechen in die Irre führt.
Fragen, auf die Pfanner offenbar lieber nicht antworten möchte. Stattdessen lässt man sich die „sachgerechte Deklaration“ und die „Verzehrsfähigkeit“ seines Produktes durch zwei der führenden Lebensmittellabore – die Unternehmen Fresenius und Eurofins – bestätigen. Und stellt noch einmal klar, dass in der „Deklaration/Sachbezeichnung“ auf alle Inhaltsstoffe hingewiesen werde. Damit sei „jeder mündige Konsument in der Lage, sich zu informieren“.
Das heißt also: Wer nicht merkt, dass ein Getränk, das „Der Gelbe Zitrone-Physalis“ heißt und das großflächig mit Physalis-Früchten beworben wird, überhaupt keine Physalis enthält, der ist selbst schuld? Oder unmündig? Was will Pfanner Verbrauchern damit sagen? Dass den Pfanner-Verpackungen generell nicht zu trauen ist? Dass Verbraucher schon lieber ganz genau hinschauen sollten, weil sie bei Pfanner nicht davon ausgehen können, dass auch drin ist, was groß drauf steht und abgebildet ist? Die Antwort von Pfanner ist beschämend für das Unternehmen.
Nicht nur, dass Pfanner dem „mündigen Konsumenten“ nicht verrät, woraus das Aroma, das den „Gelben Zitrone-Physalis“ verfeinert, hergestellt ist. Das Unternehmen scheint auch nicht einmal vom kleinsten Schuldgefühl beschlichen zu sein, Verbraucher an der Nase herumgeführt zu haben. Man hat nichts zu bedauern, dafür aber zwei Auftragsgutachten, die bestätigen, alles „sachgerecht“ deklariert zu haben. Na danke, Pfanner! Warum dann die ganze Werbung mit Physalis, das Gefasel von der „Frucht der Verführung“, wenn doch gar keine drin ist?
Das Beispiel Pfanner macht deutlich: Angeblich „sachgerechte Deklarationen“ können hochgradig irreführend sein. Die Devise „Was legal ist, kann nicht falsch sein“ ist damit klar widerlegt. Auch wenn das Lebensmittelgesetz Täuschung und Irreführung prinzipiell verbietet, sind Verbraucher offenbar nicht davor geschützt. Zahllose ergänzende Einzelbestimmungen, Verkehrsauffassungen und Deklarationsregeln erlauben den Herstellern, ihre Kunden zu verführen, zu täuschen, ja geradezu zu verhöhnen. Dem enormen Einfluss der Lebensmittelindustrie auf diese Regeln und Gesetze sei Dank.
Hersteller wie Pfanner nutzen die von der Lebensmittellobby errungenen Spielräume zur legalen Täuschung dankend aus. Und da es offiziell „Recht“ ist, fehlt offenbar jedes Unrechtsbewusstsein.
Doch je mehr Verbraucher sich gegen diese Tricks wehren, desto eher wird sich auch etwas an den unzureichenden gesetzlichen Grundlagen und am Verhalten der Hersteller ändern. Denn erst wenn Verbraucher deutlich machen, dass diese Formen legaler Täuschung mündige Entscheidungen im Supermarkt schwer oder unmöglich machen, wenn sie die systematische Irreführung nicht länger hinnehmen, dann müssen sich Industrie und Politik der Diskussion um diese gesetzlichen Grundlagen stellen.
Pfanner könnte aber natürlich trotzdem schon mal anfangen. Und es statt mit Ausreden mit Ehrlichkeit versuchen. Einer ehrlichen Produktverpackung aus Respekt vor dem Kunden nämlich.

www.abgespeist.de 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen